Christel Augenstein

Christel Augenstein (* 15. Juli 1949 in Erfurt) ist eine deutsche FDP-Politikerin, die von 2001 bis 2009 Oberbürgermeisterin der Stadt Pforzheim war.

Leben

Nach der Grundschule in Engelsbrand und Niefern besuchte sie das Hilda-Gymnasium in Pforzheim. Die Fachhochschule für Finanzen in Karlsruhe, Fachrichtung Steuerverwaltung und der Abschluss als Diplom-Finanzwirtin waren Voraussetzungen für den gehobenen Dienst als Finanzbeamtin der Stadt Pforzheim. Anschließend besuchte sie die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Karlsruhe und wurde 1978 Steuerbevollmächtigte.[1]

Politik

Augenstein war ab 1990 in Pforzheim als Stadträtin aktiv, davon fünf Jahre als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion im Gemeinderat, deren Vorsitzende sie am 1. März 2001 wurde. Bei der Pforzheimer Oberbürgermeister-Wahl am 20. Mai 2001 errang sie 53 % der Stimmen. Am 23. Juli 2001 trat sie das Amt an. Sie war die erste Frau an der Spitze der Pforzheimer Stadtverwaltung und während dieser Zeit das einzige FDP-Mitglied, das in Deutschland eine Großstadt regierte. Christel Augenstein stellte sich bei der Oberbürgermeisterwahl am 7. Juni 2009 erneut zur Wahl. Nachdem weder sie mit 40,4 % noch ihr Herausforderer Gert Hager (SPD) mit 43,8 % im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht hatten, kam es am 28. Juni 2009 zum zweiten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit genügte. In dieser Stichwahl unterlag Christel Augenstein mit 39,6 % der abgegebenen Stimmen gegen Gert Hager mit 60,2 %. Gert Hager trat am 23. Juli 2009 die Nachfolge von Christel Augenstein an.

Das Hauptaugenmerk in ihrer Amtszeit galt der Konsolidierung des städtischen Haushalts. Es wurden unter anderem folgende Projekte umgesetzt:

  • Das Neubaugebiet „Tiergarten“ wurde über die Konversionsmaßnahme „Buckenbergkaserne“ entwickelt.
  • Es wurde eine zweite Auffahrt in das Gebiet „Buckenberg“ gebaut. Zudem hat die Stadt Pforzheim mit dem Autobahnanschluss „Pforzheim-Süd“ an der A 8 eine vierte Autobahnauffahrt erhalten.
  • Das Städtische Klinikum wurde privatisiert. Hierdurch wurde der Haushalt der Stadt Pforzheim jährlich um mehrere Millionen entlastet.
  • Die Kinderbetreuung, auch für Unter-Dreijährige, wurde ausgebaut. Mehrere Ganztagesschulen wurden eingerichtet.
  • Mehrere Schulen wurden renoviert und teilweise generalsaniert. Die Alfons-Kern-Schule erhielt einen Neubau, der Neubau des Hilda-Gymnasiums mit einer Sporthalle für 2000 Besucher wurde geplant.

Augenstein und die Mehrheit des Gemeinderats erhielten vom Landesverband des Vereins Mehr Demokratie die Negativauszeichnung Demokratiegurke 2007, da sie nach Auffassung des Vereins das Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der Verkehrsbetriebe mit „vielfältigen Aktivitäten“ scheitern ließen.[2]

Spread Ladder Swaps

Am 24. November 2009 wurde die Privatwohnung von Christel Augenstein aufgrund eines richterlichen Beschlusses wegen des Anfangsverdachts der Untreue untersucht, im Zusammenhang mit „Spread Ladder Swaps“, spekulativen Wetten auf den Abstand zwischen dem kurz- und langfristigem Zinsniveau. Hierdurch sollte der Stadt Pforzheim ein Schaden von bis zu 77 Millionen Euro drohen.[3] Die Stadt bezifferte den Schaden zuletzt auf ca. 55 Mio. Euro, wovon J. P. Morgan 35 Mio. ersetzte. Den danach verbleibenden Schaden von ca. 20 Mio. sah das Landgericht Frankfurt bei 11,6 Mio., den die Deutsche Bank nach einem Vergleich zu zwei Dritteln (7,75 Mio.) trug.[4] Im Februar 2013 wurde Anklage wegen schwerer Untreue erhoben.[5] Das Landgericht Mannheim verurteilte Augenstein 2017 wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.[6] Auf Augensteins Revision hin hob der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 19. September 2018 — 1 StR 194/18 das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts.[7] Der BGH führt aus, dass die Angeklagten durch den Abschluss der verfahrensgegenständlichen Verträge jeweils eine ihnen obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hätten; indes trügen die Feststellungen des Landgerichts nicht die Annahme, der Stadt sei jeweils ein Vermögensnachteil durch die Derivatabschlüsse entstanden.[8] Die Strafverteidigung von Christel Augenstein übernahm dabei ihr Anwalt und Parteifreund Wolfgang Kubicki.[9] Am 28. Januar 2020 stellte das Landgericht Mannheim das Strafverfahren nach erfolgter Zahlung einer Geldauflage von 100.000 Euro gemäß § 153a der Strafprozessordnung endgültig ein,[10] was auch ein Disziplinarverfahren ausschloss.[11]

Sonstiges Engagement

Augenstein gehört seit 2003 dem Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit an.[12]

Weblinks

  • Christel Augenstein im Stadtwiki Pforzheim-Enz.

Einzelnachweise

  1. Stadt Pforzheim (Memento vom 4. Juli 2009 im Internet Archive).
  2. Demokratiegurke 2007 (Memento vom 17. Dezember 2007 im Internet Archive)
  3. Süddeutsche.de (Memento vom 7. April 2010 im Internet Archive) vom 25. November 2009.
  4. Pforzheim nimmt Vergleich mit Deutscher Bank im Derivatestreit an (Memento des Originals vom 3. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/bnn.de. In: Badische Neueste Nachrichten vom 20. September 2016.
  5. Schwere Untreue? Pforzheimer Ex-OB Augenstein angeklagt. In: Pforzheimer Zeitung vom 20. Februar 2013.
  6. Bewährungsstrafen für zwei Kommunalpolitiker., Mannheimer Morgen vom 21. November 2017
  7. Bundesgerichtshof hebt Verurteilung von Pforzheimer Oberbürgermeisterin und Stadtkämmerin wegen Untreue auf. Pressemitteilung des BGH vom 19. Dezember 2018. Abgerufen am 19. Dezember 2020. 
  8. Beschluss des 1. Strafsenats vom 19. September 2018 — 1 StR 194/18, Rdnr. 16 Abgerufen am 19. Dezember 2020
  9. Compart und Kubicki erreichen Bewährungsstrafen, auf juve.de
  10. Ende des Pforzheimer Derivate-Kapitels: Kein Disziplinarverfahren gegen Ex-Oberbürgermeisterin Christel Augenstein. PZ-news vom 18. Mai 2020, abgerufen am 29. Dezember 2021
  11. Disziplinarverfahren gegen Oberbürgermeisterin a.D. Christel Augenstein wird nicht eingeleitet. Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 18. Mai 2020, abgerufen am 29. Dezember 2021
  12. Vorstandsbüro / Truman-Haus: Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, archiviert vom Original am 23. Juni 2018; abgerufen am 26. März 2024. 

Vorstand

Vorsitzender: Karl-Heinz Paqué 

Stellvertretende Vorsitzende: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 

Schatzmeister: Manfred Richter 

Gewählte Beisitzer im Vorstand: Michael Georg Link | Bettina Stark-Watzinger 

Ehrenvorsitzender: Wolfgang Gerhardt 

Kuratorium

Vorsitzender: Ludwig Theodor Heuss 

Gewählte Mitglieder des Kuratorium: Christel Augenstein | Anne Brasseur | Hinrich Enderlein | Richard Fudickar | Helmut Haussmann | Maren Jasper-Winter | Peter Jeutter | Stefan Kapferer | Alexander Graf Lambsdorff | Christian Lindner | Anita Maaß | Gisela Piltz | Judith Pirscher | Florian Rentsch | Stefan Ruppert | Hermann Otto Solms | Thomas Straubhaar | Joachim Werren 

Ehrenvorsitzender: Jürgen Morlok 

Schultheißen, Bürgermeister und Oberbürgermeister von Pforzheim

Peter Maler (1607–1609) | Jakob Simmerer (1611–?) | Jeremias Deschler (1614–1621) | Wolf Karle (1622–1627) | Joachim Bub, Hans Felder (abwechselnd) (1629–1639) | Georg Weeber, Hans Beckh, Hans Friedrich Kern (abwechselnd) (1642–1665) | Ernst Matthäus Kummer (1750–1758) | W. C. Steinhäuser (1758–1770) | Weiß (1770–1775) | Kißling (1775–1783) | Günzel (1783–1795) | Geiger (1795–1798) | Jakob Friedrich Dreher (1798–1815) | Christoph Friedrich Krenkel (1815–1830) | Wilhelm Lenz (1815–1830) | Rudolf Deimling (1837–1848) | Christian Crecelius (1848–1849) | Carl Zerrenner (1849–1862) | Kaspar Schmidt (1862–1875) | Karl Groß (1875–1884) | Emil Kraatz (1885–1889) | Ferdinand Habermehl (1889–1919) | Erwin Gündert (1920–1933) | Emil Göler (1933) | Hans Gottlob (1933) | Hermann Kürz (1933–1941) | Karl Mohrenstein (1941–1942) | Ludwig Seibel (1942–1945) | Albert Herrmann (1945) | Wilhelm Becker (1945) | Friedrich Adolf Katz (1945–1947) | Johann Peter Brandenburg (1947–1966) | Willi Weigelt (1966–1985) | Joachim Becker (1985–2001) | Christel Augenstein (2001–2009) | Gert Hager (2009–2017) | Peter Boch (seit 2017)

Normdaten (Person): GND: 1160735905 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 7409152865710904940006 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Augenstein, Christel
KURZBESCHREIBUNG deutsche Politikerin (FDP), Oberbürgermeisterin von Pforzheim
GEBURTSDATUM 15. Juli 1949
GEBURTSORT Erfurt