Johannes Stumm

Johannes Richard Reinhold Stumm (* 27. März 1897 in Berlin; † 25. Dezember 1978 ebenda) war ein deutscher Jurist. Er stand von 1948 bis 1962 als Polizeipräsident in Berlin an der Spitze der West-Berliner Polizei.

Leben und Wirken

Nach dem Schulbesuch studierte Stumm Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin. 1920 wurde er beim Polizeipräsidium Berlin angestellt. 1922 erfolgte seine Ernennung zum Kriminalkommissar. 1925 wurde Stumm zum Dr. jur. promoviert. Etwa zur selben Zeit trat er der SPD bei. Stumm war seit 1923 in der Abteilung IA (Politische Polizei) für die „Inspektion Rechtsradikale Parteien und Organisationen“ tätig. Im Jahre 1926 sagte er vor dem Preußischen Landtag zu den Fememorden in der Schwarzen Reichswehr aus.[1]

Durch zahlreiche Ermittlungen gegen politische Straftäter aus den Reihen der NSDAP und ihrer Gliederungen, zumal wegen politisch motivierter Gewalttaten der SA, war Stumm maßgeblich an den polizeilichen Versuchen beteiligt, den nationalsozialistischen „Ansturm“ auf die Republik zurückzuschlagen. 1931 betätigte er sich an dem Versuch der Ausweisung des damals staatenlosen Adolf Hitler aus dem Deutschen Reich. Im selben Jahr wurde er zum Leiter der Inspektion „Rechtsradikale Parteien und Organisationen“ ernannt, womit Stumm offiziell die Führung in der Auseinandersetzung der Berliner Polizei mit der NSDAP übernahm.

Als im Juli 1932 die rechtsgerichtete Reichsregierung durch den Preußenschlag die SPD entmachtete, hatte dies die Ablösung des Leiters der Abteilung IA und die Auflösung der Inspektion „Rechtsradikale Parteien und Organisationen“ sowie Stumms Versetzung und Degradierung zum Leiter der Kriminal-Inspektion Friedrichshain zur Folge.[2] Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er 1933 beurlaubt und bald darauf aus dem Staatsdienst entlassen. Während der restlichen Dauer der NS-Herrschaft verdiente er seinen Lebensunterhalt in der Privatwirtschaft als Prokurist und Direktor einer Wirtschaftsprüfungs- und Treuhand AG.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Stumm 1945 durch die sowjetische Stadtkommandantur zum Polizeivizepräsidenten von Berlin ernannt. Am 26. Juli 1948 suspendierte der Magistrat von Berlin den Polizeipräsidenten Paul Markgraf wegen „willkürlicher Handlungen bei der Strafverfolgung“ und berief Stumm zum Polizeipräsidenten. Das SED-Mitglied Markgraf wurde derweil von der sowjetischen Besatzungsmacht in seinem Amt gehalten. Stumm verlegte am 28. Juli das Polizeipräsidium aus der Elsässer Straße im sowjetischen Sektor in die Friesenstraße in Berlin-Kreuzberg im amerikanischen Sektor, während das SED-treue Personal um Markgraf in der Elsässer Straße verblieb. Die damit vollzogene Spaltung der Polizei leitete die im November 1948 vollendete Spaltung Berlins ein.[3] In den darauffolgenden Jahren baute Stumm die Polizei in West-Berlin auf. In seine Amtszeit fielen die Berliner Luftbrücke, der Aufstand vom 17. Juni 1953, die Kubakrise und der Mauerbau 1961.

Auf Weisung des sowjetischen Stadtkommandanten Alexander Kotikow wurde am 3. August 1948 Stumms Besitz und seine Wohnung im Ost-Berliner Bezirk Prenzlauer Berg beschlagnahmt.

In der ostdeutschen Öffentlichkeit wurde Johannes Stumm bekannt, indem man die West-Berliner Polizei als „Stumm-Polizei“ bzw. „StuPo“ bezeichnete.

Johannes Stumm wurde auf dem Luisenstädtischen Friedhof am Südstern im Feld 23 beigesetzt. Er war Mitglied der Berliner Freimaurerloge Zur Treue.

Ehrungen

Weblinks

  • Die Verschleppung des Otto Nuschke (CDU/DDR) aus dem demokratischen Sektor am 17. Juni 1953 und die „Stumm-Polizei“. DDR-Aktenstück
  • Portraitserie Johannes Stumm bei europeana.eu

Einzelnachweise

  1. Hsi-Huey Liang: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte und Wolfgang Behn, de Gruyter, Berlin, New York 1977 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 47; hier folgend zitiert als „Hsi-Huey Liang“), S. 158, mit Nachweis
  2. Hsi-Huey Liang, S. 180
  3. Arthur Schlegelmilch: Hauptstadt im Zonendeutschland. Die Entstehung der Berliner Nachkriegsdemokratie 1945–1949. Haude und Spener, Berlin 1993, ISBN 3-7759-0370-4 (= Schriften der Historischen Kommission zu Berlin. Bd. 4), S. 125–131, hier 129, zum Verlauf der Spaltung S. 131–141.
Polizeipräsidenten Berlins

Justus von Gruner 1809–1811 | Diederich Friedrich Carl von Schlechtendal 1811–1812 | Paul Ludwig Le Coq 1812–1821 | Ludwig Wilhelm von Esebeck 1822–1831 | Friedrich Wilhelm Karl von Arnim 1831–1832 | August Wilhelm Francke 1832 | Karl von Gerlach 1832–1839 | Eugen von Puttkamer 1839–1847 | Julius von Minutoli 1847–1848 | Moritz von Bardeleben 1848 | Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey 1848–1856 | Constantin von Zedlitz-Neukirch 1856–1861 | Leopold von Winter 1861–1862 | Otto von Bernuth 1862–1867 | Lothar von Wurmb 1867–1872 | Guido von Madai 1872–1885 | Bernhard von Richthofen 1885–1895 | Ludwig von Windheim 1895–1902 | Georg von Borries 1903–1908 | Ernst von Stubenrauch 1908–1909 | Traugott von Jagow 1909–1916 | Heinrich von Oppen 1916–1918 | Emil Eichhorn 1918–1919 | Eugen Ernst 1919–1920 | Wilhelm Richter (1920–1925) | Albert Grzesinski (1925–1926) | Karl Zörgiebel (1926–1930) | Albert Grzesinski (1930–1932) | Kurt Melcher (1932–1933) | Magnus von Levetzow (1933–1935) | Wolf-Heinrich von Helldorff (1935–1944) | Kurt Göhrum (1944–1945) | Paul Markgraf (1945–1948) | Johannes Stumm (1948–1962) | Erich Duensing (1962–1967) | Georg Moch (1968) | Klaus Hübner (1969–1987) | Georg Schertz (1987–1992) | Hagen Saberschinsky (1992–2001) | Dieter Glietsch (2002–2011) | Margarete Koppers (2011–2012) | Klaus Kandt (2012–2018) | Michael Krömer (2018) | Barbara Slowik (seit 2018)

Siehe auch: Polizei Berlin
Normdaten (Person): GND: 1030064296 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 295392836 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Stumm, Johannes
ALTERNATIVNAMEN Stumm, Johannes Richard Reinhold (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist, Polizeipräsident von West-Berlin
GEBURTSDATUM 27. März 1897
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 25. Dezember 1978
STERBEORT Berlin