John Wesley Harding

John Wesley Harding
Studioalbum von Bob Dylan

Veröffent-
lichung(en)

27. Dezember 1967

Aufnahme

17. Oktober; 6., 29. November 1967

Label(s) Columbia Records

Genre(s)

Folk-Rock, Country-Rock

Titel (Anzahl)

12

Länge

38:58

Besetzung
  • Bob Dylan – Gesang, Gitarre, Mundharmonika, Piano
  • Charlie McCoy – Bass
  • Kenny Buttrey – Schlagzeug
  • Pete Drake – Steel Guitar

Produktion

Bob Johnston

Studio(s)

Columbia Music Row Studios in Nashville, Tennessee

Chronologie
Blonde on Blonde (1966) John Wesley Harding Nashville Skyline (1969)

John Wesley Harding ist das achte Studioalbum des amerikanischen Musikers Bob Dylan. Es erschien am 27. Dezember 1967 auf dem Plattenlabel Columbia Records und wurde von Bob Johnston produziert.

Nach einer von Rockmusik geprägten Schaffensphase und einem Rückzug aus der Öffentlichkeit kehrte der Singer-Songwriter hier zu einfachen Songstrukturen zurück und bediente sich erstmals Country-Einflüssen. John Wesley Harding wurde für Dylan zu einem kommerziellen Erfolg.

Entstehung

Nach einem Motorradunfall im Juli 1966 hatte sich Bob Dylan zur Genesung über ein halbes Jahr vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er entschied sich, der getriebenen und manischen Hektik sowie der aufzehrenden Aufmerksamkeit um seine Person aus dem Weg zu gehen und sein Wohl in privater Abgeschiedenheit zu suchen. In einem Landhaus in der Künstlerkolonie Woodstock am Rand der Catskill Mountains fand Dylan im Kreis seiner Familie Besinnung und Neuorientierung. Dies gab Gerüchten über einen endgültigen Rückzug vom Musikgeschäft reichlich Nahrung und ließ Dylans weitere Karrierepläne vollkommen offen. Erst im Sommer 1967 schienen sich die Vorzeichen in seinem Leben wieder zu ändern, denn er verlängerte zum einen seinen Plattenvertrag mit Columbia Records und begann wieder intensiv zu musizieren. Zusammen mit seinen Begleitmusikern von The Band – wie sich die Gruppe inzwischen nannte – spielte er im Keller des Hauses „Big Pink“ die legendären Basement Tapes ein, die zunächst nur inoffiziell als Raubpressungen kursierten.

Beeinflusst von diesen lockeren, ungezwungenen Sessions, ließ sich Dylan von seinem Produzenten Bob Johnston zu Aufnahmen für ein offizielles Studioalbum überreden. Schließlich begann er im Spätherbst 1967 mit dem Schreiben neuer Songs, die allerdings nichts mehr mit der quirligen Verrücktheit seiner Stücke vor dem Unfall zu tun hatten, indem er sich sehr einfachen Songstrukturen und Liedinhalten zuwandte. Dylan kehrte in die Columbia Music Row Studios nach Nashville (Tennessee) zurück und an lediglich drei Aufnahmetagen (17. Oktober, 6. und 29. November 1967) spielte er die Lieder für das Album John Wesley Harding ein. Für die wenigen Takes benötigte er insgesamt nur zwölf Stunden. Seinen sparsamen, aber dennoch effektiven Hintergrund füllten die drei StudiomusikerPete Drake (Pedal-Steel-Gitarre), Charlie McCoy (Bass) und Kenny Buttrey (Schlagzeug) – aus. Nach Abschluss der Aufnahmen ging Dylan die Bänder mit dem The Band-Gitarristen Robbie Robertson durch, um die insgesamt sehr schlichten, fast spröden Einspielungen gegebenenfalls noch durch weitere Tonspuren zu ergänzen. Doch die Songs blieben unverändert – in gewisser Weise die akustische Variante der Basement-Tapes.[1]

Der Album-Titel und der Eröffnungssong beziehen sich auf die historische Figur John Wesley Hardin (1853–1895), einen Revolverhelden des Wilden Westens. Auf dem Foto der Schallplattenhülle posiert Dylan mit einer Hilfskraft seines Managers Albert Grossman sowie zwei bengalischen Baul-Musikern. In der Rindenstruktur des Baumes dahinter glaubten einige Interpretatoren das auf dem Kopf stehende Porträt der Beatles zu erkennen.[2]

Inhalt und Bedeutung

Die LP John Wesley Harding leitete eine Periode ein, in der sich Dylans Leben und Werk von vergangenen Exzessen distanzierten und der Mäßigung zuwandten. Damit widerspricht es allem, wofür das Vorgängeralbum Blonde on Blonde steht. Dylan bedient sich sehr strengen, fast schematischen Songstrukturen, die jedes Stück bis auf eine Ausnahme in ein dreistrophiges Korsett mit und ohne Refrain zwängen.[3] Einzig The Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest verlässt dieses Muster und reiht elf Strophen balladenartig aneinander. Mit seiner minimalistischen Ausrichtung sowie dem klaren und akustischen Sound gilt das Album als Antithese zur extravaganten, psychedelischen Rockmusik, die 1967/68 ihren Höhepunkt erreichen sollte.[4] Doch John Wesley Harding ist nur vordergründig betrachtet eine simple und unauffällige Folk-Rock-Platte, die in Wirklichkeit durch eine äußerst wirkungsvolle Bescheidenheit, qualitative Reduzierung und klare Form beherrscht wird.

Die Texte erzählen durchgängig relativ klar zugängliche Parabeln, frei von surrealistischen und verklausulierten Bilderwelten. Sie handeln von Geschichten über Hobos und Outlaws, von der Suche nach dem eigenen Ich und quälenden Zwiegesprächen, die er mit Alltagssprache und Folklore vermischt. Inhaltlich geht Dylan insgesamt zu einem neuen Mitgefühl über. Einem Gefühl von musikalischer, physischer, spiritueller und religiöser Ruhe.[5] Vielfach bedient er sich Anspielungen auf biblische und jüdische Mystizismen, mit denen er sich in dieser Zeit nachweislich intensiv beschäftigt.[6] Sicherlich atmet John Wesley Harding erstmals seit den frühen Sechziger Jahren den Geist Woody Guthries und der Tod seines „letzten Helden“ am 3. Oktober 1967 dürfte Dylan tief bewegt und einen gewissen Einfluss auf das Werk gehabt haben. Das Lied All Along The Watchtower ist nicht nur der Schlüsselsong des Albums, sondern einer der bedeutendsten Dylan-Songs überhaupt. Hier dokumentiert sich die persönliche Entwicklung des Künstlers: Heraus aus den politischen, später dann surrealistisch-poetischen Visionen hin zu einer geläuterten, sehr individuellen, durchaus auch mystisch empfänglichen Persönlichkeit. Das kompakte Lied wurde 1968 in der Fassung des Gitarristen Jimi Hendrix ein Welterfolg. Auch Dylan greift in seinen Konzerten immer wieder auf den Song zurück, es ist der von ihm selbst am häufigsten interpretierte Titel seines gesamten Werks. Dabei widmet er das Stück stets dem früh verstorbenen Hendrix.[7] Mit Down Along the Cove und I'll Be Your Baby Tonight beschließen zwei einfache, schlichte Liebeslieder das Album, die bereits starke Einflüsse von Country-Musik aufweisen. Dieser Musikrichtung sollte sich Dylan auf dem Nachfolgeralbum Nashville Skyline vollständig zuwenden.

Objektiv betrachtet, war John Wesley Harding bis zur Mitte der 1970er Jahre Dylans letzte große Platte, wie auch sein Biograf Michael Gray festhält:

„Ein meisterhafter Beitrag zum Katalog des amerikanischen Liedguts, in seiner Strenge in fast calvinistischem Geist.“

Michael Gray[8]

Aus dem Titel The Ballad of Frankie Lee and Judas Priest entlehnte die britische Heavy-Metal-Band Judas Priest ihren Namen.

Charts

Obwohl Dylan zwischen 1966 und 1974 keine Tournee absolvierte und nur wenige Live-Auftritte bei ausgesuchten Konzerten bestritt, hatte John Wesley Harding nach seiner Veröffentlichung eine durchschlagende Wirkung und wurde ein kommerzieller Erfolg. Ohne Tour-Promotion verkauften sich noch in der ersten Woche schätzungsweise 250.000 Exemplare. Die Verkaufszahlen beförderten die LP in Großbritannien für insgesamt 13 Wochen (3. März – 11. Mai und 19. Mai – 8. Juni 1968) auf Platz 1 der UK-Album-Charts und auf Platz 2 der US-Billboard-Charts.

Das Lied I'll Be Your Baby Tonight war in der Coverversion von Robert Palmer und der Reggae-Band UB40 im Jahr 1990 eine Hit-Single.

Titelliste

Alle Songs wurde von Bob Dylan geschrieben.

LP Seite 1

  1. John Wesley Harding – 2:57
  2. As I Went Out One Morning – 2:49
  3. I Dreamed I Saw St. Augustine – 3:53
  4. All Along the Watchtower – 2:31
  5. The Ballad of Frankie Lee and Judas Priest – 5:35
  6. Drifter's Escape – 2:52

LP Seite 2

  1. Dear Landlord – 3:16
  2. I Am a Lonesome Hobo – 3:19
  3. I Pity the Poor Immigrant – 4:12
  4. The Wicked Messenger – 2:03
  5. Down Along the Cove – 2:23
  6. I'll Be Your Baby Tonight – 2:35

Weblinks

  • John Wesley Harding auf allmusic.com

Einzelnachweise

  1. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 112
  2. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 119.
  3. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 117
  4. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 119
  5. Robert Shelton: Bob Dylan: No Direction Home. S. 198
  6. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 115
  7. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 118
  8. Olaf Benzinger: Bob Dylan. Seine Musik und sein Leben. dtv Premium, München 2006, S. 118
VD
Bob Dylan
Studioalben

Bob Dylan • The Freewheelin’ Bob DylanThe Times They Are a-Changin’Another Side of Bob DylanBringing It All Back HomeHighway 61 RevisitedBlonde on Blonde • John Wesley Harding • Nashville SkylineSelf Portrait • New Morning • Pat Garrett & Billy the KidDylan – A Fool Such as IPlanet WavesBlood on the TracksThe Basement Tapes • Desire • Street LegalSlow Train Coming • Saved • Shot of Love • InfidelsEmpire BurlesqueKnocked Out Loaded • Down in the Groove • Oh MercyUnder the Red SkyGood as I Been to YouWorld Gone WrongTime Out of MindLove and Theft • Modern Times • Together Through Life • Christmas in the Heart • Tempest • Shadows in the Night • Fallen Angels • Triplicate • Rough and Rowdy Ways

Livealben

Before the Flood • Hard Rain • At Budokan • Real Live • Dylan & The Dead • The 30th Anniversary Concert Celebration • MTV Unplugged • Live 1961–2000: Thirty-Nine Years of Great Concert Performances • Live at the Gaslight 1962 • Live at Carnegie Hall 1963 • In Concert – Brandeis University 1963 • The 1966 Live Recordings • Bob Dylan – The Rolling Thunder Revue: The 1975 Live Recordings

Kompilationsalben

Bob Dylan’s Greatest Hits • Bob Dylan’s Greatest Hits Vol. II • Dylan – A Fool Such as IThe Basement Tapes • Masterpieces • Biograph • Bob Dylan’s Greatest Hits Volume 3 • The Best of Bob Dylan (1997) • The Best of Bob Dylan, Vol. 2 • The Essential Bob Dylan • Bob Dylan: The Collection • The Best of Bob Dylan (2005) • Blues • Dylan • The Original Mono Recordings • The 50th Anniversary Collection • Bob Dylan: The Complete Album Collection Vol. One • The 50th Anniversary Collection 1963 • The 50th Anniversary Collection 1964

The Bootleg Series

The Bootleg Series Volumes 1–3 (Rare & Unreleased) 1961–1991Volume 4: The Royal Albert Hall concert • Vol. 5: Bob Dylan Live 1975, The Rolling Thunder Revue • Vol. 6: Bob Dylan Live 1964, Concert at Philharmonic Hall • Vol. 7: No Direction Home: The Soundtrack • Vol. 8: Tell Tale Signs: Rare and Unreleased 1989–2006 • Vol. 9: The Witmark Demos: 1962–1964 • Vol. 10: Another Self Portrait (1969–1971) • Vol. 11: The Basement Tapes Complete • Vol. 12: The Cutting Edge 1965–1966 • Vol. 13: Trouble No More 1979–1981 • Vol. 14: More Blood, More Tracks • Vol. 15: Travelin’ Thru, 1967–1969 • The Bootleg Series Vol. 16: Springtime in New York 1980–1985

Bootlegs

From Newport to the Ancient Empty Street in L. A. • Great White Wonder

Konzerttouren

England Tour (1965) • World Tour (1966) • Tour with The Band (1974) • Rolling Thunder Revue (1975–1976) • World Tour (1978) • Gospel Tour (1979–1980) • World Tour (1981) • European Tour (1984) • True Confessions Tour (1986) • Tour with the Grateful Dead (1987) • Temples in Flames Tour (1987)

Filme und Soundtracks

Dont Look BackEat the Document • Renaldo and Clara • Hard to Handle • The 30th Anniversary Concert Celebration • Masked and AnonymousNo Direction HomeI’m Not There • 65 Revisited • The Other Side of the Mirror: Bob Dylan Live at the Newport Folk Festival 1963–1965 • Trouble No More – A Musical Film • Rolling Thunder Revue • Pat Garrett jagt Billy the Kid • Hearts of Fire

Bands

The BandTraveling Wilburys