Kointegration

Die Kointegration im Kontext der Zeitreihenanalyse und Ökonometrie ist eine Beziehung zwischen zwei oder mehr instationären (integrierten) Variablen, die ein langfristiges Gleichgewicht aufweisen.

Allgemeines

Das Konzept der Kointegration geht auf den Briten Clive W. J. Granger und den US-Amerikaner Robert F. Engle zurück. Beide erhielten am 8. Oktober 2003 für ihre Analysen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Grundlage war Grangers Arbeit „Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen mit gemeinsam veränderlichen Trends (Kointegration)“. Als Beispiele nannte die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften den Zusammenhang zwischen Vermögen und Konsum, Wechselkursen und Preisniveau oder kurzfristigen und langfristigen Zinssätzen.

Über das Engle-Granger-Repräsentationstheorem aus 1987 lässt sich eine Beziehung zwischen dem Konzept der Kointegration von Variablen und einem Fehlerkorrekturmodell herstellen. Dieses besagt, dass zu jedem Kointegrationsmodell ein Fehlerkorrekturmodell existiert, das die Kurzfristdynamik des Systems beschreibt.[1]

Mathematische Definition

Kointegration liegt vor, wenn eine Linearkombination stochastischer Prozesse, die alle vom gleichen Grade d {\displaystyle d} integriert sind, integriert ist vom Grade d {\displaystyle d^{*}} mit

d < d {\displaystyle d^{*}<d} .

Eine solche Linearkombination heißt Kointegrations-Beziehung, und die Prozesse heißen kointegriert, was bedeutet, dass zwischen ihnen eine langfristige Beziehung besteht.[2] Ist eine Linearkombination nicht-stationärer stochastischer Prozesse – die alle vom gleichen Grade integriert sind – ein stationärer Prozess, dann heißen diese Prozesse kointegriert.[3]

Anwendung

Die Kointegration wird bei trendbehafteten Zeitreihen (instationäre Zeitreihen) angewendet. Sie stellt dabei eine Alternative zu einer Trendbereinigung etwa durch Differenzenbildung dar. Trendbereinigung wird oft vorgeschlagen, um Scheinregressionen zu vermeiden. Der Nachteil dieser Behandlung der Instationarität ist jedoch, dass durch die Bereinigung Informationen verloren gehen. Hier liegt der Vorteil der Arbeit mit Niveauvariablen bzw. der Kointegration. Langfristige Gleichgewichtsbeziehungen können erkannt und analysiert werden.

Beispiel Spot- und Terminmärkte

Heftig diskutiert wird im Finanzwesen die Frage nach einer Kointegrations-Beziehung zwischen Spot- und Terminmarkt, die ein langfristiges Marktgleichgewicht zwischen beiden erfordert, aber kurzfristige Ungleichgewichte zulässt. Wird eine Kointegrations-Beziehung für ein bestimmtes Handelsobjekt angenommen, so ist dies ein Indiz dafür, dass sich der Kassakurs und der Terminkurs langfristig gemeinsam entwickeln und sich in einem langfristigen Gleichgewicht befinden, von dem kurzfristige Abweichungen möglich sind.[4] Den Preiszusammenhang zwischen Termin- und Kassakursen mittels Kointegrationsanalyse untersuchten unter anderem Autoren erstmals 1991 für Kaffee, Mais, Baumwolle, Gold, Sojabohnen und Rindfleisch (Commodities).[5] Interpretiert man die Preisdifferenzen zwischen Spot- und Terminmarkt vereinfacht als Finanzierungskosten, so lassen sich die kontemporären Preisbeziehungen wie folgt umschreiben:[6]

F t = P t + i + t t {\displaystyle F_{t}=P_{t}+i+t_{t}} .

Dabei sind F t {\displaystyle F_{t}} der logarithmierte Terminmarktpreis, P t {\displaystyle P_{t}} der logarithmierte Kassamarktpreis, i {\displaystyle i} die Zinsen und t t {\displaystyle t_{t}} die Restlaufzeit des Finanzkontraktes.

Dagegen geht die Marktsegmentierungstheorie davon aus, dass auf den Finanzmärkten kein Zusammenhang zwischen kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Zinssätzen besteht und diese sich unabhängig voneinander entwickeln.[7]

Sonstiges

Clive W. J. Granger und Robert F. Engle sind unter anderem für ihre Arbeiten über Kointegration 2003 mit dem Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel ausgezeichnet worden.

Literatur

Der grundlegende Beitrag von Robert F. Engle und Granger ist:

  • Robert F. Engle, Clive W.J. Granger: Co-integration and error correction: Representation, estimation and testing. In: Econometrica. Band 55, 1987, S. 251–276, JSTOR:1913236 (englisch, Registrierung erforderlich). 

Deutschsprachige Lehrbücher mit einführenden Darstellungen:

  • Peter Hackl: Einführung in die Ökonometrie. Pearson Studium, München 2005, ISBN 3-8273-7118-X.
  • Michael Schröder: Finanzmarktökonometrie. Schaeffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-7910-1836-1.
  • Gebhard Kirchgässner, Jürgen Wolters: Einführung in die moderne Zeitreihenanalyse. Vahlen, München 2006, ISBN 3-8006-3268-3.

Standard-Lehrbücher für Fortgeschrittene:

  • James D. Hamilton: Time series analysis. Princeton University Press, Princeton 1994, ISBN 0-691-04289-6.
  • Helmut Lütkepohl: New introduction to multiple time series analysis. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-26239-8.

Einzelnachweise

  1. Robert F. Engle/Clive W. J. Granger, Cointegration and Error Correction: Representation, Estimation and Testing, in: Econometrica 55, 1987, S. 251–276
  2. Springer Fachmedien Wiesbaden (Hrsg.), Kompakt-Lexikon Wirtschaftsmathematik und Statistik, 2013, S. 67
  3. Ute Arentzen/Eggert Winter, Gabler Wirtschafts-Lexikon, Band 2, 1997, S. 2155
  4. Annemarie Sapusek, Informationseffizienz auf Kapitalmärkten, 1998, S. 202
  5. Richard T Baillie/Robert J Myers, Bivariate GARCH Estimation of the Optimal Commodity Futures Hedge, in: Journal of Applied Economics 6, 1991, S. 109–124
  6. Kenneth D Garbade/William L Silber, Cash Settlement of Futures Contracts: An Economic Analysis, in: Journal of Futures Markets 3, 1983, S. 452
  7. John Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, 2009, S. 128
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4347470-6 (lobid, OGND, AKS)