Lemma von Riesz

Das Lemma von Riesz, benannt nach dem ungarischen Mathematiker Frigyes Riesz, ist ein Satz der Funktionalanalysis über abgeschlossene Unterräume von normierten Räumen.

Aussage

Gegeben seien ein normierter Raum X {\displaystyle X} , ein abgeschlossener echter Untervektorraum U {\displaystyle U} von X {\displaystyle X} und eine reelle Zahl 0 < θ < 1 {\displaystyle 0<\theta <1} .

Dann existiert ein Element x ^ X {\displaystyle {\hat {x}}\in X} mit x ^ = 1 {\displaystyle \|{\hat {x}}\|=1} , so dass gilt[1][2]:

d ( x ^ , U ) = inf u U x ^ u θ {\displaystyle \mathrm {d} ({\hat {x}},U)=\inf _{u\in U}\|{\hat {x}}-u\|\geq \theta } .

Ist U {\displaystyle U} endlichdimensional oder allgemeiner reflexiv, dann kann θ = 1 {\displaystyle \theta =1} gewählt werden.

Motivation

In einem endlichdimensionalen euklidischen Raum gibt es zu jedem echten Teilraum U {\displaystyle U} einen darauf senkrecht stehenden Einheitsvektor x {\displaystyle x} . Der Abstand eines beliebigen Punktes u {\displaystyle u} aus U {\displaystyle U} zu x {\displaystyle x} beträgt dann mindestens Eins, der Wert Eins wird exakt für u = 0 {\displaystyle u=0} angenommen.

In einem normierten Raum ist der Begriff des „senkrecht Stehens“ im Allgemeinen nicht definierbar. Insofern ist die Formulierung des Lemmas von Riesz eine sinnvolle Verallgemeinerung. Auch ist es nicht selbstverständlich, dass außerhalb eines Teilraumes noch Vektoren mit positivem Abstand zu diesem existieren.

Beweisskizze

Es gibt einen Punkt w {\displaystyle w} außerhalb des echten Teilraumes U {\displaystyle U} . Da U {\displaystyle U} abgeschlossen ist, muss der Abstand von w {\displaystyle w} zu U {\displaystyle U} positiv sein. Sei ein 0 < θ < 1 {\displaystyle 0<\theta <1} vorgegeben und u 0 {\displaystyle u_{0}} ein Punkt in U {\displaystyle U} mit

0 < d ( w , U ) w u 0 < 1 θ d ( w , U ) {\displaystyle 0<\mathrm {d} (w,U)\leq \|w-u_{0}\|<{\frac {1}{\theta }}\mathrm {d} (w,U)} .

Ein solches u 0 {\displaystyle u_{0}} existiert stets, da zwar d ( w , U ) {\displaystyle \mathrm {d} (w,U)} , nicht aber 1 θ d ( w , U ) {\displaystyle {\frac {1}{\theta }}\mathrm {d} (w,U)} eine untere Schranke der Abstände von w {\displaystyle w} zu Punkten aus U {\displaystyle U} ist.

Wähle als Element x ^ X {\displaystyle {\hat {x}}\in X} :

x ^ := w u 0 w u 0 {\displaystyle {\hat {x}}:={\frac {w-u_{0}}{\|w-u_{0}\|}}}

Dieses ist normiert per Konstruktion. Für ein beliebiges u U {\displaystyle u\in U} gilt:

x ^ u = w u 0 w u 0 u = 1 w u 0 w u 0 w u 0 u U d ( w , U ) w u 0 θ {\displaystyle \|{\hat {x}}-u\|=\left\|{\frac {w-u_{0}}{\|w-u_{0}\|}}-u\right\|={\frac {1}{\|w-u_{0}\|}}\cdot \|w-\underbrace {u_{0}-\|w-u_{0}\|\cdot u} _{\in U}\|\geq {\frac {\mathrm {d} (w,U)}{\|w-u_{0}\|}}\geq \theta } .

Für den Abstand gilt also:

d ( x ^ , U ) d ( w , U ) w u 0 θ {\displaystyle \mathrm {d} ({\hat {x}},U)\geq {\frac {\mathrm {d} (w,U)}{\|w-u_{0}\|}}\geq \theta } .

Folgerungen

Aus dem Lemma von Riesz folgt, dass jeder normierte Raum, in dem die abgeschlossene Einheitskugel kompakt ist, endlichdimensional sein muss.[3] Auch die Umkehrung dieses Satzes ist richtig (Kompaktheitssatz von Riesz).

Sei X {\displaystyle X} ein unendlich-dimensionaler Banach-Raum, dann enthält jeder Einheitsball eine abzählbare Folge von offenen Bällen. Beweisskizze: Sei x 1 X {\displaystyle x_{1}\in X} mit x 1 = 1 {\displaystyle \|x_{1}\|=1} und U 1 = span { x 1 } {\displaystyle U_{1}=\operatorname {span} \{x_{1}\}} . Wendet man nun das Lemma von Riesz an, dann existiert für 0 < ε < 1 {\displaystyle 0<\varepsilon <1} ein Punkt x 2 X {\displaystyle x_{2}\in X} mit x 2 = 1 {\displaystyle \|x_{2}\|=1} und d ( x 2 , U 1 ) 1 ε {\displaystyle d(x_{2},U_{1})\geq 1-\varepsilon } . Man wiederholt das Lemma von Riesz für U 2 = span { x 1 , x 2 } {\displaystyle U_{2}=\operatorname {span} \{x_{1},x_{2}\}} und dann sukzessiv für U 3 = span { x 1 , x 2 , x 3 } {\displaystyle U_{3}=\operatorname {span} \{x_{1},x_{2},x_{3}\}} usw. Wählte man nun ε = 1 / 3 {\displaystyle \varepsilon =1/3} , dann bildet die Folge 3 4 x 1 , 3 4 x 2 , {\displaystyle {\tfrac {3}{4}}x_{1},{\tfrac {3}{4}}x_{2},\dots } die Mittelpunkte der Bälle.

Einzelnachweise

  1. Harro Heuser: Funktionalanalysis, Teubner-Verlag (1975), ISBN 3-519-02206-0, Hilfssatz 10.2
  2. Joseph Diestel: Sequences and Series in Banach Spaces, Springer-Verlag (1984), ISBN 3-540-90859-5, Kap. I, Lemma auf Seite 2
  3. Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, S. 27.