Menschenmaterial

Menschenmaterial wurde von der „Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres“ zum Unwort des 20. Jahrhunderts gewählt.[1] Die Wahl erfolgte nach Angaben der Jury aufgrund der „unangemessenen Koppelung von Lebendig-Menschlichem und toter Sache“. Das Wort Menschenmaterial sei „zwar bereits im 19. Jahrhundert bei Karl Marx aufgetaucht, habe aber in diesem Jahrhundert zynische Bedeutung erlangt, nicht zuletzt als Umschreibung von Menschen, die als Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg ‚verbraucht‘ wurden. Das ‚Unwort des 20. Jahrhunderts‘ stehe exemplarisch für die Tendenz, Menschen nur noch nach ihrem ‚Materialwert‘ einzuschätzen“.[2]

Verwendungen

Der Begriff tauchte das erste Mal in Theodor Fontanes 1852 veröffentlichten Bericht Ein Sommer in London in einem militärischen Kontext auf: „Der englische Soldat, als rohes Menschenmaterial noch immer unvergleichlich …“ Karl Marx verwendete den Begriff mehrfach kritisch in Das Kapital (1867). Besonders während des Ersten Weltkriegs war oft von den vielen Verlusten an „Kriegs- und Menschenmaterial“ die Rede. Adolf Hitler benutzte den Ausdruck mehrfach in seinem politischen Grundlagenwerk Mein Kampf. Im Zweiten Weltkrieg wurden KZ-Häftlinge, die nicht zu Arbeitszwecken verwendbar waren, als „unbrauchbares Menschenmaterial“ bezeichnet.

Der bulgarische Premierminister Bojko Borissow nannte 2009 die Roma und die Türken „schlechtes Menschenmaterial“.[3][4][5][6]

Auch Franz Kafka benutzt dieses Wort in der Erzählung Beim Bau der Chinesischen Mauer.

Analog hierzu wird in Profisport-Kreisen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass für Sportler Ablösesummen gefordert und bezahlt werden – von Trainern und Funktionären häufig von „Spielermaterial“ gesprochen. Von Lehrern, besonders der älteren Generation, ist gelegentlich das Wort „Schülermaterial“ zu hören.[7]

Siehe auch

  • Kanonenfutter
  • Humankapital

Weblinks

Wiktionary: Menschenmaterial – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Unwort des 20. Jahrhunderts - Menschenmaterial. Archiviert vom Original am 30. August 2009; abgerufen am 3. Januar 2010 (Begründung der Gesellschaft für deutsche Sprache für die Wahl zum Unwort des 20. Jahrhunderts). 
  2. https://idw-online.de/de/news17376
  3. Изказване на Бойко Борисов в Чикаго – емигрантска версия (Memento vom 14. Juli 2011 im Internet Archive), Chicago press conference transcription in Bulgarian
  4. eurochicago: Boiko_Borisov_in_Chicago_2009_02_03 auf YouTube, 22. Januar 2012, abgerufen am 25. Februar 2024 (Laufzeit: 2:38 min).
  5. Mayor of Sofia brands Roma, Turks and retirees 'bad human material', Telegraph.co.uk, 6 February 2009
  6. Sofia Mayor to Bulgarian Expats: We Are Left with Bad Human Material Back Home Sofia Mayor to Bulgarian Expats: We Are Left with Bad Human Material Back Home
  7. Kurt Singer: Worte können töten – im wahren Sinn des Wortes. Das Tabu: Gewalt durch verletzende Lehrer-Worte. In: Michele Minelli (Hrsg.): Endstation Schulausschluss? Über den Umgang mit schwierigen Schulkindern. Haupt-Verlag, Bern 2003, ISBN 3-258-06525-X. 
Unwörter des Jahres Deutschlands der Gesellschaft für deutsche Sprache (bis 1994) und der „Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres“ (ab 1995)

1991 Ausländerfrei | 1992 Ethnische Säuberung | 1993 Überfremdung | 1994 Peanuts | 1995 Diätenanpassung | 1996 Rentnerschwemme | 1997 Wohlstandsmüll | 1998 Sozialverträgliches Frühableben | 1999 Kollateralschaden | 2000 National befreite Zone | 2001 Gotteskrieger | 2002 Ich-AG | 2003 Tätervolk | 2004 Humankapital | 2005 Entlassungsproduktivität | 2006 Freiwillige Ausreise | 2007 Herdprämie | 2008 Notleidende Banken | 2009 Betriebsratsverseucht | 2010 Alternativlos | 2011 Döner-Morde | 2012 Opfer-Abo | 2013 Sozialtourismus | 2014 Lügenpresse | 2015 Gutmensch | 2016 Volksverräter | 2017 Alternative Fakten | 2018 Anti-Abschiebe-Industrie | 2019 Klimahysterie | 2020 Corona-Diktatur und Rückführungspatenschaften | 2021 Pushback | 2022 Klimaterroristen | 2023 Remigration

Unwort des 20. Jahrhunderts: Menschenmaterial