Pfalzkapelle

Als Pfalzkapelle wird der zu einer Pfalz gehörende Sakralbau bezeichnet, der für die Nutzung durch die Herrscherfamilie und den mitreisenden Hofstaat bestimmt war. Hieraus entwickelten sich im erweiterten Sinne die späteren Hofkapellen und Kirchen an den fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Schlössern und Residenzen. Eine Pfalz bestand zumindest aus dem Palas, einer Pfalzkapelle und einem Gutshof.

Ein bekanntes Beispiel für eine heute noch erhaltene Pfalzkapelle ist das als Zentralbau des Aachener Doms fungierende Oktogon, das zwischen 796 und 805 n. Chr. als Kapelle der Aachener Kaiserpfalz unter Karl dem Großen errichtet wurde. Seine Baugestalt geht zurück auf ähnliche Herrschaftskapellen im byzantinischen Kulturbereich – vor allem justinianische Anlagen wie San Vitale in Ravenna oder Hagios Sergios und Bacchos in Konstantinopel.

Fast alle mittelalterlichen Pfalzen besaßen solche Kapellen. Doch nicht nur weltliche Herrscher, auch geistliche Würdenträger ließen diese erbauten, so etwa im Fall der im Auftrag des Mainzer Erzbischofs Adalbert I. von Saarbrücken errichteten Gotthardkapelle am Mainzer Dom. Die meisten dieser Herrscherkapellen waren sogenannte Doppelkapellen, also zweigeschossige Bauwerke mit einer verbindenden Öffnung zwischen der Ober- und der Unterkapelle.

Geschichte

In den zu den Königspfalzen gehörenden Pfalzkapellen des Früh- und Hochmittelalters (500–1300 n. Chr.) wurde während des Aufenthalts des Königs der Mantel des fränkischen Reichsheiligen Martin von Tours († 397) als Reliquie aufbewahrt. Der Mantel gehörte als Reichskleinodie zum Kronschatz und wurde auf den Reisen der Könige mitgeführt. Die Verwahrer und Beschützer dieser Reliquie waren die capella sancti Martini und hießen capellani (von lat. cappa ‚Mantel‘, Diminutiv capella; davon ist auch Kapelle abgeleitet[1]); hieraus entwickelte sich der spätere Begriff Kaplan. Diese Geistlichen zelebrierten auch die Gottesdienste in der Pfalzkapelle und wurden ebenfalls mit höfischen und diplomatischen Aufgaben betraut. Als erste bedeutende Pfalzkapelle gilt das Königskloster St. Denis bei Paris, in der bereits ein örtlicher Kanzleivorsteher eingesetzt worden war. St. Denis gilt als Entstehungsort der laudes regiae, einer Krönungsliturgie, die in den jeweiligen Pfalzkapellen zu Ehren des Königs gehalten wurde.

  • Kathedrale Saint-Denis bei Paris
    Kathedrale Saint-Denis bei Paris
  • Basilika Saint-Remi in Reims
    Basilika Saint-Remi in Reims
  • Basilika Saint-Martin in Tours
    Basilika Saint-Martin in Tours
  • Oktogon des Aachener Doms
    Oktogon des Aachener Doms
  • Pfalzkapelle St. Ulrich in Goslar
    Pfalzkapelle St. Ulrich in Goslar

Bedeutung einiger Pfalzkapellen

Zunächst hatten die Pfalzkapellen keinen unterschiedlichen Rang, da sie Bestandteil aller gleichrangigen Pfalzen war. Im Laufe der königlichen Aufwertungen erfuhren einige Pfalzkapellen besondere Bedeutung, zu ihnen gehörten:

  • Die heutige Kathedrale von Saint-Denis, eine ehemalige Abteikirche in der Stadt Saint-Denis nördlich von Paris.
  • Die ehemalige königliche Abtei Saint-Remi in Reims: In ihr wurde jahrhundertelang das heilige Öl zur Salbung der französischen Könige aufbewahrt.
  • Die Basilika und frühere Abtei Saint-Martin in Tours war als Grablege des heiligen Martin von Tours mehr als ein Jahrtausend lang eine der wichtigsten christlichen Pilgerstätten.[2]
  • Die Pfalzkapelle St. Ulrich war Bestandteil der Kaiserpfalz von Goslar, die als „berühmtester Wohnsitz des Reiches“ gelobt wurde.

Weitere Pfalzkapellen (Auswahl)

Literatur

  • Mathias Haenchen: Die mittelalterliche Baugeschichte der Goslarer Pfalzkapelle St. Ulrich. Diss. TU Braunschweig 1998, Braunschweig 1998.
  • Oscar Schürer: Romanische Doppelkapellen. Eine typengeschichtliche Untersuchung. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 5. Band, 1929, S. 99–192.
  • Richard Stemp, Kirchen & Kathedralen. RM Buch und Medien Vertrieb, 2011.

Einzelnachweise

  1. Kapelle. In: Duden online. Abgerufen am 8. Mai 2017. 
  2. Lexikon der Heiligen (Hl. Martin von Tours), Verlagsgruppe Weltbild, Augsburg, 2005, ISBN 3-8289-4980-0