Richard Heinzel

Richard Heinzel

Richard Heinzel (* 3. November 1838 in der istrischen Hafenstadt Gafers (Capodistria) im Kaisertum Österreich; † 4. April 1905 in Wien) war ein österreichischer germanistischer und skandinavistischer Mediävist.

Leben

Heinzels Vater Wenzeslaus war Gymnasialpräfekt in Görz, seine Mutter Adelheid war eine aus Preußen stammende Lehrerin. Heinzels Großvater mütterlicherseits war Friedrich John.

Von 1857 bis 1860 studierte er an der Universität Wien Klassische und Deutsche Philologie und promovierte dort 1862. 1860 legte er die Lehramtsprüfung für Latein und 1866 für Griechisch ab. Von 1860 bis 1868 hatte er verschiedene Lehramtsstellen inne und wurde dann von 1868 bis 1873 Nachfolger von Karl Tomaschek auf dem Lehrstuhl für ältere deutsche Sprache und Literatur in Graz. 1873 folgte er Wilhelm Scherer als ordentlicher Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Wien und wurde dort der erste Direktor des Seminars für deutsche Philologie (das heutige Institut für Germanistik). Diese Professur behielt er bis zu seinem Tod durch Suizid. Er wurde am Ober Sankt Veiter Friedhof bestattet.[1]

Heinzels Lehr- und Forschungsgebiete waren die germanischen Sprachen und Literaturen des Mittelalters und die Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Aus dem Corpus der Mittelhochdeutschen Literatur lehrte er besonders zum Nibelungenlied und zu den Werken von Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Heinrich von Morungen und zu Walther von der Vogelweide. Zu anderen germanischen Philologien lehrte er zum altenglischen Beowulf-Epos und in der Skandinavistik zur Edda, speziell zu den Liedern des Codex Regius (Lieder-Edda). Zu diesen Bereichen lehrte Heinzel die entsprechenden Grammatiken und Metriken. Ein weiteres Feld war die Germanische Altertumskunde. Zur frühneuzeitlichen deutschen Literatur lehrte er zum Werk und Sprache von Martin Luther und neuzeitlich zum Werk von Goethe.

Bedeutend ist die Zahl und Namen seiner akademischen Schüler: Ferdinand Detter, Theodor von Grienberger, Max Hermann Jellinek, Carl von Kraus, Primus Lessiak, Karl Luick, Rudolf Much, Joseph Seemüller, Samuel Singer, Oskar Walzel, Richard Maria Werner, Edmund Wießner, Konrad Zwierzina (1864–1941).

Zu Ehren Heinzels wurde am 28. Mai 1914 im Arkadenhof des Hauptgebäudes der Universität Wien ein von Carl Kundmann gestaltetes Portraitrelief enthüllt.[2]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Geschichte der Niederfränkischen Geschäftssprache. Paderborn, Schönigh 1874, (Digitalisat).
  • Über den Stil der altgermanischen Poesie (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker. 10, ISSN 0481-3596). Trübner, Straßburg u. a. 1875, (Digitalisat).
  • Ueber die Walthersage. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Historische Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 117, Abh. 2, 1889, separate Zählung, (Digitalisat).
  • Ueber die ostgothische Heldensage. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Historische Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 119, Abh. 3, 1889, separate Zählung, (Digitalisat).
  • Über die französischen Gralromane. In: Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-Historische Classe. Band 40, Abh. 3, 1891, (Digitalisat).
  • Ueber das Gedicht vom König Orendel. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Historische Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 126, Abh. 1, 1892, separate Zählung, (Digitalisat).
  • Ueber Wolframs von Eschenbach Parzival. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Historische Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 130, Abh. 1, 1894, separate Zählung, (Digitalisat).
  • Abhandlungen zum altdeutschen Drama. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Historische Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 134, Abh. 10, 1896, separate Zählung, (Digitalisat).
  • Beschreibung des geistlichen Schauspiels im deutschen Mittelalter (= Beiträge zur Ästhetik. 4, ZDB-ID 505115-0). Voss, Hamburg u. a. 1898, (Digitalisat).
  • Kleine Schriften. Herausgegeben von Max H. Jellinek und Carl von Kraus. Winter, Heidelberg 1907, (Digitalisat).
  • Briefe an Wilhelm Scherer (= Beiträge zur Geschichte der Germanistik. 11). Herausgegeben von Hans-Harald Müller und Felix Oehmichen, unter Mitarbeit von Christine Putzo. Hirzel, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-7776-2742-7.

Literatur

  • Max Hermann Jellinek: Richard Heinzel †. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. Band 37, 1905, S. 506–508
  • Christoph König (Hrsg.), unter Mitarbeit von Birgit Wägenbaur u. a.: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. Band 2: H–Q. De Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-015485-4, S. 704ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Heinzel Richard, Germanist. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 252.
  • Blanka Horacek: Heinzel, Richard, Germanist. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 450 (Digitalisat).
  • Jolanda Poppovic: 24 Stunden bis zum Ende. Richard Heinzel (1838 bis 1905) – Eine Spurensuche. In: Auskunft. Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland. Band 35, Nr. 1, 2015, S. 99–119.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Grabstelle Richard Heinzel, Wien, Ober Sankt Veiter Friedhof, Gruppe H, Nr. 15.
  2. Enthüllung eines Heinzel-Denkmales in der Wiener Universität. Mit einer photographischen Aufnahme. In: Wiener Bilder, Nr. 23/1914 (XIX. Jahrgang), 7. Juni 1914, S. 6, unten links (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrb
Inhaber der Lehrstühle für Germanistik an der Universität Graz

1. Lehrstuhl für Ältere deutsche Sprache und Literatur: Karl Weinhold (1851–1861) | Karl Tomaschek (1862–1868) | Richard Heinzel (1868–1873) | Anton Emanuel Schönbach (1876–1911) | Konrad Zwierzina (1912–1934) | Leo Jutz (1936–1958) | Anton Schwob (1981–2005) | Arne Ziegler (seit 2005)

2. Lehrstuhl für Neue deutsche Literatur: Bernhard Seuffert (1892–1924) | Karl Polheim (1929–1945) | Hugo von Kleinmayr (1947–1954) | Robert Mühlher (1958–1980) | Dietmar Goltschnigg (1981–1997) | Uwe Baur (1997–2002) | Anne-Kathrin Reulecke (seit 2012)

3. Lehrstuhl für Deutsche Sprache: Hellmuth Himmel (1968–1983) | Hans Helmut Hiebel (1985–2009) | Paul Portmann-Tselikas (2009–2016) | Edgar Onea Gáspár (seit 2017)

4. Lehrstuhl für Fachdidaktik, Deutsch als Zweitsprache und Sprachliche Bildung: Sabine Schmölzer-Eibinger (seit 2014)

5. Lehrstuhl am Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung: Klaus Kastberger (seit 2015)

6. Lehrstuhl für Germanistische Mediävistik: Julia Zimmermann (seit 2020)

Normdaten (Person): GND: 116674911 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n87811462 | VIAF: 77073818 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Heinzel, Richard
KURZBESCHREIBUNG österreichischer germanistischer Mediävist
GEBURTSDATUM 3. November 1838
GEBURTSORT Koper, Slowenien
STERBEDATUM 4. April 1905
STERBEORT Wien